Bodil Gardner
Bodils Quilts sind einzigartig, und wenn Sie schon mal einen gesehen haben, haben Sie ihn bestimmt nicht so schnell wieder vergessen. Sie nennt sie ‘Bilder’, diese Bilder sind aus Patchwork hergestellt – und sie erzählen immer eine kleine Geschichte. Zwar hatte auch Bodil eine Phase, in der sie Patchwork-Decken machte, also etwas Nützliches herstellte. Aber ---
Seit den 1980ern stellt Bodil nun ihre lebhaft-lebenslustigen Bilder aus Stoff her und ist damit seit Jahren regelmäßig in Ausstellungen vertreten.
Vom 25. Mai bis 01. Juli werden ihre Arbeiten in der Galerie ada in Meiningen zu sehen sein - also auch zu den Patchworktagen. Wir (Uta Lenk und Barbara Lange) hatten vorab Gelgenheit, mit Bodil zu sprechen.
BL: Bodil, wir möchten unseren Mitgliedern eine Möglichkeit geben, Dich ein bisschen kennenzulernen, bevor wir alle in Meiningen vor Deinen tollen Quilts stehen werden. Herzlichen Dank, dass Du zugestimmt hast, vorab dieses Interview zu führen. Wo hast Du so gut Englisch gelernt?
Bodil: Ich habe zwei Jahre in England gelebt, dort meinen Mann kennengelernt, und er hat mir geholfen, mein Englisch auf den derzeitigen Stand zu bringen. Aber ich wollte gerne meine Familie in Dänemark großziehen, deshalb sind wir nach Dänemark gezogen.
BL: Es heißt immer, Du erzählst mit den Quilts Geschichten. Wie ist es dazu gekommen?
Bodil: Bei uns in der Familie ist immer etwas los. Ich habe nie vorgehabt, ‚Kunst‘ zu machen. In der Familie gibt es etliche Künstler, ich weiß, wie Kunst aussieht, meins war nicht ‚Kunst‘. Ich habe Bettdecken gemacht, ich habe sie niemandem gezeigt. Bis es auf einmal viele waren, ich sie auf einem Bücherregal drapiert hatte und eine Bekannte sie gesehen hat. Alle diese Bilder waren nur Dinge, die mir durch den Kopf gingen, worüber ich nachgedacht habe, wenn ich irgendwie unter Druck war und mich ablenken musste. So kam es dazu, dass ich Bilder gemacht habe. Inzwischen kommen die Anregungen häufig von Ausschreibungsthemen, vor allem von SAQA (Studio Art Quilts Associates). Allerdings ist es für mich nicht immer einfach, mit den vorgegebenen Maßen zurecht zu kommen. Meine Sachen wollen oft ein anderes Maß haben, als die Ausschreibung vorgibt.
Das gilt auch für die Stoffe, die ich verwende. Ich kaufe ganz selten neue Stoffe, ich verwende immer etwas, das ich schon habe, und die haben auch immer eine Geschichte, die sie mit sich tragen. Ich habe wenig Geld verdient, deshalb wollte ich nicht, dass diese Tätigkeit viel kostet, also habe ich gelernt, mit dem zurechtzukommen, was vorhanden ist. Mittlerweile ist es eine Lebensform für mich geworden. Ich nähe fast jeden Tag. Inzwischen auch manchmal Hemden für meinen Enkel, die er liebt.
Fast alle meine Quilts haben eine Tasse im Bild. Für mich als Frau war eine Tasse Kaffee auch immer etwas, woran ich mich festhalten konnte. Oder mich dahinter verstecken. Die Tasse ist fast immer da, manchmal auch an ungewöhnlichen Stellen.
Inzwischen habe ich allerdings Schwierigkeiten mit den Schultern, deshalb sind meine Stücke kleiner geworden.
BL: Deine Quilts sind einzigartig, sie sprechen eine ganz eigene Sprache. Wie hast Du diese Sprache gefunden?
Bodil: Ich hatte einfach dieses innere Bedürfnis, etwas zu machen. Ich brauche etwas in meinen Händen, um mit den Anforderungen des Lebens irgendwie zurechtzukommen. Das Nähen hilft mir, bei Verstand zu bleiben. Ich könnte gar keinen teuren Stoff verwenden, weil ich immer Befürchtungen hätte, diesem Stoff nicht gerecht zu werden. Deshalb verwende ich Reste. Oft ist Bettwäsche mein Hintergrundmaterial, manchmal verwende ich die linke Seite des Stoffes, um die Farben etwas abzudämpfen.
Ich mache keine Skizzen. Ich schneide direkt in den Stoff, ich habe eine sehr gute Schere. Das Bild habe ich vorher irgendwie im Kopf komponiert, meist wenn ich nachts nicht schlafen kann. Dann gehe ich auf die Suche nach den richtigen Stoffen. Unterwegs verändert sich das Bild dann oft. Ich pinne die zugeschnittenen Stücke fest und steige manchmal auf einen Stuhl, um mir alles von oben anzusehen. Dann verändere ich vielleicht die Position von einigen Stücken, die noch nicht richtig sind. Anschließend wird alles mit einem Satinstich appliziert. Der letzte Schritt ist Peters Aufgabe – er rasiert die überstehenden Fädchen mit einem elektrischen Haarschneider ab. Ich benutze keine Klebematerialien, weil ich so viel noch verändere, deshalb wären Klebematerialien nicht für meine Arbeitsweise geeignet. Lange habe ich nur den Hintergrund gequiltet, aber inzwischen quilte ich auch über die applizierten Teile. Ich verwende kein Vlies, beim Applizieren habe ich zwei Lagen Stoff, anschließend wird mit einer Rückseite abgeschlossen.
BL: Welche Maschine verwendest Du?
Bodil: Ich brauche eigentlich nur geradeaus- und dichten Zickzackstich, alles andere ist für mich unnötig. Deshalb habe ich immer eine einfache Maschine, allerdings nähe ich so viel, dass ich praktisch alle vier oder fünf Jahre eine neue brauche. Im Moment habe ich eine brother, die einen fantastischen Satinstich hat, so dass ich nicht dauernd die Spule wechseln muss, der Unterfaden ist auf der Oberseite nicht zu sehen. Als die Pandemie begann, und ich dachte, dass das vielleicht länger dauern könnte, bin ich sofort in den Nähmaschinenladen gegangen und habe dasselbe Modell ein zweites Mal gekauft, damit ich für alle Eventualitäten gewappnet bin. Schwierig ist immer der Abschluss – die Entscheidung, welchen Rand dieses besondere Stück braucht, dauert bei mir sehr lange. Dann liegen sie eine Weile rum, hängen mal hier, mal dort, vielleicht geben Familienmitglieder mal einen Kommentar, ich teste verschiedene Ideen. Irgendwann kommt dann die Erkenntnis, wie es sein soll, und dann mache ich es fertig.
BL: Du hast uns ein Foto von einem Quilt geschickt, der viele Bibelgeschichten zeigt, kannst Du uns dazu etwas erzählen?
Bodil: Das war ein Auftrag von unserer Kirchengemeinde, den ich ursprünglich gar nicht annehmen wollte. Letztendlich habe ich zugestimmt unter der Bedingung, dass ich wirklich völlig frei bin in meinen Entscheidungen – und wenn es ihnen nicht gefallen würde, würde ich es behalten. Es sollte ein Geschichtsbuch für Kinder werden. Die Sonne, das Leben, ist in der Mitte, Engel in den Ecken. Die Bilder sind so arrangiert, dass man rumgehen kann und eine Geschichte erzählt wird. Natürlich sind Adam und Eva dabei, aber völlig nackt, ich hatte Bedenken, ob ihnen das gefallen würde, aber es musste so sein, und sie haben es akzeptiert.
In der Pandemie habe ich jetzt viele kleine Engelbilder genäht, die verkaufe ich, und spende das Geld für Wohltätigkeitszwecke.
Irgendwie kommt auch immer alles zusammen. Ich verkaufe eigentlich nicht gerne meine Quilts, weil sie eben sehr persönlich sind. Einmal habe ich aber doch einen Quilt über Bluetooth an den Pharmakonzern Pfizer verkauft – es war ein Wikinger mit einem Telefon in seiner Tasche – und dann kam der erste Impfstoff in dieser Pandemie von Pfizer. Das hat mich sehr berührt.
Ich mache zwar keine Skizzen, aber ich habe immer ein Notizbuch greifbar, wo ich Dinge aufschreibe, die ich vielleicht einmal als Geschichte für einen Quilt werde verwenden können. Zum Beispiel, wie meine Tochter ihren Mann kennengelernt hat. Manchmal habe ich auch das Bedürfnis, ein Motiv auf verschiedene Arten zu gestalten, dann mache ich mehrere Quilts nach dem selben Thema, zum Beispiel ein Paar, das weggeht. Es ist jedenfalls immer irgendwie ein Porträt.
BL: Hast Du auch mal andere Techniken oder Materialien ausprobiert?
Bodil: Ich habe mal einen Zeichenkurs mitgemacht, und ganz schnell festgestellt, dass es nicht mein Ding ist, Sachen zu zeichnen, um etwas so darzustellen, wie es ist. Aber die Lehrerin hat mir einen guten Tipp gegeben, als sie meinte, wenn ich mal weiß, wie es auf eine Art geht, kann ich mich bewusst entscheiden, es anders zu machen. Meine ganze Familie kann gut zeichnen, da versuche ich gar nicht erst, mit ihnen zu konkurrieren.
Außerdem habe ich mal getöpfert. Aber die Ergebnisse haben mich gelangweilt. Ich wusste nicht, was ich mit den Skulpturen anfangen sollte, die ich gemacht habe, und Tassen und Vasen herzustellen hat mich einfach überhaupt nicht interessiert. Einmal hatte ich aber eine Ausstellung mit den Skulpturen, und eine wurde gestohlen. Meine Freundinnen waren empört, aber ich empfinde das als Kompliment. Irgendjemand wollte diese Skulptur so dringend haben, dass er bereit war, sie zu stehlen. Ich komme aber immer wieder zu den Quilts zurück.
Die ganze Familie ist kreativ, aber bisher hat niemand anderes mit dem Quilten angefangen. Vielleicht meine Enkelin, sie hat jetzt eine kleine Kindernähmaschine bekommen.
In meiner Entwicklung war SAQA für mich sehr wichtig, weil die Ausschreibungen mir oft eine Anregung gegeben haben. Allerdings habe ich immer meinen eigenen Stiefel geschoben und mich nicht nach anderen gerichtet. Es ist nicht wichtig, ob die Ränder gerade sind, und es ist mir auch egal, ob sie jemandem gefallen. Die Quilt sind ehrlich, und sie sind ich. Meine Quilts haben eine Aussage, und ich freue mich, wenn sie ausgestellt werden, aber ich mache sie auch, wenn ich keine Ausstellung in Aussicht habe.
BL: Wir freuen uns, dass Du dich bereit erklärt hast, nach Meiningen zu kommen. Marion Kranz aus der Geschäftsstelle hat uns immer wieder in den Ohren gelegen, dich als Gast einzuladen, und dieses Jahr ist es endlich so weit. Wir freuen uns über ihre Anregung und jetzt nach diesem Gespräch umso mehr. Wir sind gespannt darauf, deine Bilder in Natura zu sehen. Herzlichen Dank für das Gespräch.
Protokoll: Uta Lenk