Ausgestellt bei Tradition und Moderne III – Quilts 1996, Nr. 21
120 x 120 cm
Baumwolle, Tüll
Applikation und Patchwork, maschinen- und handgenäht, handgequiltet
Stellungnahme für die Sammlung der Patchwork Gilde Deutschland e.V.
Gabi Mett - Brasil
Als Gabi Mett 1995 ihren Quilt „Brasil“ schuf, war sie auf der Suche nach neuen Ausdrucksformen. War sie bisher stets nach zwar eigenen, aber genauen Entwürfen vorgegangen, stand bei der Vorbereitung zu „Brasil“ ein spielerisches Ausprobieren im Mittelpunkt: Welche Möglichkeiten lassen sich mit minimalen Mitteln erreichen, um frei
zu arbeiten?
Gabi Mett, für die bereits während ihres Studiums (1976-1981 an der Universität – Gesamthochschule Essen) feststand, dass sie mit textilen Materialien und textilen Techniken arbeiten will, ist über die Jahre zur führenden Textilkünstlerin in Deutschland avanciert, die auch international höchstes Renommee genießt. Von Anfang an begriff sie das Textile als ein künstlerisches Ausdrucksmittel, das nicht an das Kunsthandwerk und auch nicht an die klassischen Handarbeiten gebunden ist. „Diese Entscheidung trägt bis heute“, schreibt sie auf ihrer Website, auch wenn gerade diese Materialien und Techniken die meiste Zeit in der Kunstwelt verschmäht oder missachtet wurden und werden.
Ausgangspunkt für „Brasil“ war ein Bogen Geschenkpapier mit aquarellierten Blumen, den Gabi Mett in kleine quadratische Teile zerschnitt. Diese Teile ordnete sie immer wieder neu an, entdeckte dabei Quadrate mit dem gleichen Ausschnitt, also einen Rapport, und entschied sich dann, diese Quadrate in Stoff umzusetzen. Die Farben ergaben sich aus dem Papier, die entsprechend gefärbten Stoffe gab es bei Heide Stoll-Weber.
Gabi Mett entwickelte einen Block, den sie sechzehnmal mit Handstickereien, Applikationen und teilweise mit Schichtungen aus transparentem Stoff (Tüll) in eigenen Mustern ausgestaltete. Sie benutzt hierzu nicht die traditionell gewachsenen Gestaltungsformen, die geometrischen Patchworkmuster, sondern eine eigene, individuelle Bild- und Formensprache, abgeleitet aus dem gefundenen Detail.
Das Patchwork aus diesen sechzehn Blöcken, das einen nicht ganz regelmäßigen Verlauf der Farben (von hell nach dunkler) sowie auch der Muster (der immer komplexer wird) aufweist, positionierte sie im Zentrum eines breiten unifarbenen Rahmens, der ihr mehrere Möglichkeiten bietet:
Zum einen setzt ein Rahmen das zentrale Motiv in Szene, betont es also, zum anderen bildet er eine dekorative Einfassung und hält alles zusammen. Hier eröffnet der (immer gleich) breite Rand Gabi Mett die Möglichkeit für ein ausführliches und detailreiches, aus dem Zentrum weitergeführtes Handquilting. Dabei bedient sich die Künstlerin einer analogen Herangehensweise: So, wie sie ihre Stoffe frei legte und bearbeitete, lässt sie ihre Quiltmuster im Mittelteil – jeweils der Farbe des Stoffes entsprechend mit der Hand gequiltet – daraus entstehen.
Dieses führt sie stimmig auf dem Rand fort und schafft damit gleichzeitig nicht nur eine Verbindung zum Mittelteil, sondern hat auch den Raum, um das Quilting noch weiter zu modifizieren. Oben sind es mehr kantige, grafische und geradlinige Muster, im unteren Teil kommen die gequilteten Linien geschwungen daher. Auch die Dichte ist unterschiedlich, dies macht alles sehr lebendig – ohne jedoch unruhig zu sein.
Mit Bedacht besteht der Rahmen aus einem hellen, ungemusterten, mit den Farben der Blöcke harmonierenden Stoff, der das Design genauso gut sichtbar macht wie er auch die durch das Quilting entstandene Oberflächenstruktur reliefartig hervortreten lässt. Diese Farbwahl und das dem Quilt zugrunde liegende gleichbleibende Raster, das die Maße der einzelnen Blöcke wie auch das des Randes bestimmt, tragen die ruhige Gesamtwirkung.
Damit fällt Gabi Metts Quilt „Brasil“ auf und auch aus dem Rahmen des damals Üblichen heraus. Soweit es die Fotos im Katalog erkennen lassen, legen nur wenige Teilnehmerinnen an dieser 3. „Tradition und Moderne“ Wert auf ein ausdrucksstarkes Quilting nach eigenem Design und auf eine dadurch hervorgerufene dreidimensionale Oberflächenstruktur, von wenigen Ausnahmen abgesehen, wie beispielsweise „Farbfelder 96 – Quilt Nr. 2/96“ von der Jurorin Ruth Eißfeldt oder „Ogygia“ von Elsbeth Nusser-Lampe oder „My Family’s Garden“ von Susan Bartels. Im Unterschied zu Gabi Metts „Brasil“ wird hier dem Quilting aber kein eigener Raum zugewiesen – ein Gestaltungselement, das übrigens im späteren sog. Modern Quilt betont wird.
Gabi Mett, die seit 1980 international ausstellt, nahm auch bei den Quilt-Biennalen 1989, 1991 und 1997 (Heidelberg) teil und fällt auch in diesem Kontext in diesen Jahren mit „Brasil“ auf. Auch hier sind in den Katalogen nur relativ wenige Arbeiten zu finden, die dem Quilting einen eigenen Design-Raum gewähren.
In Gabi Metts eigener Entwicklung markiert „Brasil“ eine Übergangszeit, eine Schnittstelle zwischen geplantem und freiem Arbeiten. Es entstanden in dieser Art zwar noch einige wenige andere Quilts wie z.B. „El Dorado“, ein dreiteiliger Quilt, der sich seit 2001 in der Sammlung des Museum of Arts and Design in New York (USA) befindet und über den der Katalog sagt: „Die Freude an der Sinnlichkeit der Materialien zeigt sich bei der deutschen Künstlerin Gabi Mett in einer Fülle von Seiden, Tüll, Brokat und Perlen, handgepatcht und mit Applikation und Stickerei ergänzt.“
Interessanterweise waren die wenigen Quilts, die Gabi Mett wie „Brasil“ oder „El Dorado“ in dieser Art gearbeitet hat, nie zusammen ausgestellt und die Künstlerin ist danach auch nicht mehr zum exakt ausgeführten Patchwork zurückgekehrt.
Auf meine Frage, was es mit dem Titel „Brasil“ auf sich habe, lacht Gabi Mett und hatte dann eine einfache Antwort: „Die Farben haben mich an Blüten aus dem Regenwald erinnert.“ Die Farben, die von dem Geschenkpapierbogen angeregt wurden, mit dem alles begann.
Die Gilde darf sich glücklich schätzen, diese Arbeit großzügigerweise als Schenkung für ihre Sammlung von der Künstlerin erhalten zu haben. Der Art Quilt „Brasil“ ist nicht nur Gabi Mett selbst wichtig, sondern kennzeichnet auch einen markanten Schritt in der Entwicklung des Patchworks in Deutschland, dem Thema der Sammlung. Herzlichen Glückwunsch!
Quellen:
- Gespräch mit Gabi Mett
- Ausstellungskataloge der Tradition und Moderne II, III, IV – Quilts 1994, 1996, 1998
- Ausstellungskataloge der 3. - 7. Quilt-Biennalen 1989, 1991, 1993, 1995, 1997
- Website der Künstlerin: https://gabi-mett.de
Gudrun Heinz, Juni 2021